Sonderthema Bewegung: Das bewegt die Jugend #3

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Streetworker im Netz

Ein Selfie vor dem Archiv der Zukunft. Ohne Post, Bild und Video auf den Sozialen Medien geht es nicht mehr. Auch Matthias Scheibe und Katharina Stubenrauch tun es – um auf ihre Arbeit hinzuweisen. Sie unterstützen Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihren Sorgen und Nöten im Netz allein gelassen sind. Sie ist Vorsitzende des Bezirksjugendrings, er einer der ersten Digitalen Streetworker. Am 20. Juni öffnet sich das Archiv der Zukunft für die Digitalen Streetworker –und jeder darf dabei sein.

Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Diese Frage trägt das Archiv der Zukunft durch das Jahr. Dabei geht es zum Beispiel um die Arbeit von Streetworkern. Der Name „Streetwork“ sagt schon, wo die Arbeit stattfindet. Oder besser stattfand. Was tun, wenn auf der Straße niemand mehr ist, sondern die Aufgaben und Knoten des Lebens sich ans Smartphone verlagert haben – an Orten genutzt, an die ein Streetworker nicht kommt, es sei denn er macht es genauso. Wie Matthias Scheibe.

Er ist einer von zwei Digitalen Streetworkern, die in Oberfranken ihre Arbeit aufgenommen haben. „Wir müssen dorthin, wo die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind – das sind Plattformen wie Discord oder Reddit“, sagt Matthias. Wie das geht und warum das wichtig ist zeigt er am 20. Juni ab 16 Uhr im Archiv der Zukunft. Sabrina Becker hat ihn für das Archiv der Zukunft eingeladen. Sie ist Jugendsozialarbeiterin an einer Mittelschule im Landkreis und ist Mitglied im Beirat des Archivs. Sie kennt die Aufgaben und die Themen der Jugendsozialarbeit. „Wir müssen erstmal einfach nur da sein. Das hilft vielen schon. Und zuhören – das tut in vielen Fällen gut“, sagt sie. Sie sitzt an einer Schule, die Schülerinnen und Schüler kommen freiwillig zu ihr, weil und wenn sie in der Schule sind und Redebedarf haben. „Die Schülerinnen und Schüler berichten mir, dass sie am Wochenende nicht mehr viel rausgehen. Da sind sie meist online unterwegs.“

„Und was ist in den Ferien?“, fragt Matthias. Dort setzt seine Arbeit an. Er durchblättert Foren und schaut, ob seine Hilfe möglicherweise gefragt ist. „Wenn ich sehe, dass andere Nutzerinnen und Nutzer bereits im Dialog sind, halte ich mich raus. Wenn nicht, gebe ich mich zu erkennen und biete meine Unterstützung an“, erzählt er von seiner Arbeit. Die Themen sind dieselben wie in der analogen Arbeit. Es geht in zunehmendem Maß um Angststörungen oder depressive Stimmungen. Es geht um Drogenmissbrauch und Konflikte mit anderen. Das können Konflikte mit dem Freund oder der Freundin sein – oder mit den Eltern. „Relativ einfach ist zum Beispiel ein Fall, wenn jemand eine Unterschrift für seinen BaFög-Antrag braucht, aber Angst hat, damit zu seinen alkoholisierten Eltern zu gehen“, sagt Matthias. Oft sei der Knoten, den es zu lösen gilt, allerdings ein Toröffner zu einem ganzen Bündel an Problemen, die jemand mit sich herumträgt.

Aus seinen vielen Fällen hat er typische Situationen zusammengestellt. „In der Kombination sind sie erfunden. Jedereinzelne Aspekt ist aber in echt vorgekommen“, so der Streetworker im Netz. Das will er am 20. Juni vorstellen und gemeinsam mit den Teilnehmenden Lösungen suchen. „Wir machen das wie im Netz: Jeder ist willkommen.“ Wie im Netz heißt auch, dass Matthias in der Anonymität hilft. Manch ein Chat endet abrupt, und Matthias weiß nicht, was aus seinem Gegenüber geworden ist. „Wir fragen aus Gründen der Datensparsamkeit auch nur, was unbedingt notwendig ist. Alter oder Geschlecht weiß er nur zufällig. „Für uns ist es immer wieder schön, wenn Leute, denen wir geholfen haben, irgendwann wieder auftauchen und sich melden.“

Matthias ist Teil eines bayernweiten Pilotprojektes vom Bayerischen Jugendring und dem JFF – Institut für Medienpädagogik. In Oberfranken ist Matthias zusammen mit Andreas Knecht beim Bezirksjugendring beheimatet. Die Vorsitzende ist Katharina Stubenrauch. Sie kommt aus der Sportjugend – dort, wo man bislang immer in echt zusammen ist. „Dieses Feld hat Bedarf. Wir sehen da ein großes Wachstum. Insbesondere Einsamkeit ist ein großes Thema. Da laufen viele unter dem Radar. Denen wollen wir Hilfe anbieten.“

Vor dem Archiv der Zukunft auf dem Lichtenfelser Marktplatz macht sie mit Matthias ein Selfie, dreht noch ein kurzes Video für Instagram. „Wären wir mehr Leute, würden wir auch noch mehr Fälle finden, bei denen wir professionell unterstützen können“, sagt Matthias. Immer wieder geht es ihm so, dass er den Rechner nicht zuklappen kann. Zum Beispiel, wenn ein Chat mittendrin endet. „Ich habe da auch schon zwei Stunden auf ein Lebenszeichen gewartet – am Ende war es ein Funkloch.“ Im Nachhinein kann er darüber lachen. Doch das Internet schläft nie und eigentlich könnte auch er rund um die Uhr arbeiten. Natürlich weiß er, dass das nicht geht. Und er beobachtet sich selbst: „In meiner Freizeit habe ich inzwischen viel weniger Bildschirmzeit als früher – ich gehe lieber im Wald spazieren.“

BEIRAT

Das Archiv der Zukunft ist ein Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen. Es will über Innovationen informieren, Austausch und Initiative ermutigen, Lichtenfels vernetzen und Zukunftsfähigkeit fördern. Dabei ist das Archiv der Zukunft als eine Plattform für und von den Lichtenfelserinnen und Lichtenfelsern konzipiert. Um die gewünschte Bürgernähe zu schaffen, war für die Initiatoren von Beginn an die Zusammenarbeit mit einem Beirat wichtig und notwendig. Der nunmehr auf zwei Jahre gewählte Beirat besteht aus acht Personen. Er hat die Aufgabe, das Archiv der Zukunft mit Leben zu füllen, indem er Anregungen sammelt und Veranstaltungsformate ausarbeitet, die mit Unterstützung der Initiatoren umgesetzt werden. Gemeinsam soll auf diese Weise eine Plattform gestaltet werden, die das Leben in Lichtenfels bereichert und möglichst großen Einklang in der Bevölkerung findet.

TERMINE IM ARCHIV DER ZUKUNFT

6. Juni, 18 Uhr | Vortrag von Swen Meister aus der Sportpraxis Faulstich „Mentale Gesundheit durch Bewegung fördern und erhalten“
20. Juni, 16 Uhr | Digital Streetworker Matthias Scheibe ist im Archiv der Zukunft
11. Juli, 18 Uhr | Vortrag von Prof. Christian Illies vom Institut „Mensch und Ästhetik“
18. Juli, 18:30 Uhr | Lesung mit Nicole Kleine und Axel Tangerding aus „Architektur und Utopia“
26. September, 19:30 Uhr | Vortrag von Dr. Christian Stummeyer „Wie der Megatrend Generative KI die Arbeitswelt der Zukunft verändert“

STREETWORKER IM NETZ

KONTAKT
Andreas Knecht
Sozialpädagoge mit den thematischen Schwerpunkten Videospiele, Hate Speech, Cybermobbing und Hardware
Mobil: 01520 53 90 636
E-Mail: andreas.knecht@bezirksjugendring-oberfranken.de

Matthias Scheibe
Sozialpädagoge mit den thematischen Schwerpunkten Jungen- und Männerarbeit, Fake News und (Online-)Teilhabechancen
Mobil: 0177 41 37 922
E-Mail: matthias.scheibe@bezirksjugendring-oberfranken.de

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